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Lambert: Actually Good
Kirchenkonzert
Aus der Reihe Sonntags-Nachmittags-Konzerte "Zwischen Torte und Tatort"
Als "Lambert" eines Morgens in seiner Berliner Wohnung von seiner Tochter am Klavier erwischt wurde, erkannte er, dass er etwas ändern musste. "Du machst immer das Gleiche", eröffnete sie und starrte ihren Vater eisig an, der seine Reaktion auf diesen Paukenschlag glücklicherweise hinter seiner stets sitzenden Maske verbergen konnte. "Du wirst bald keine Karriere mehr haben, wenn du so weitermachst." Dabei war er immer zufrieden damit gewesen, "so" Musik zu machen, vom seinem selbstbetitelten 2014er-Debütalbum für das Kultlabel Staatsakt bis zu Open von 2022, seinem vierten Album für Mercury Records, schließlich war er darüber in seinem Heimatland so bekannt geworden, dass er mühelos als Headliner in der Hamburger Elbphilharmonie oder dem Berliner Funkhaus auftreten konnte. Außerdem hatte er ja durchaus verschiedene Genres erkundet, darunter die zerklüftete Electronica von False (2021) und natürlich Jazz, seine erste musikalische Leidenschaft, auf den Alben All This Time und Live In Amsterdam von 2023. Doch dass seine nun 14-jährige Tochter, die mit seinen ruhigen, kontemplativen Kompositionen aufgewachsen war und sich noch nie beschwert hatte, plötzlich so reagierte, machte ihren Kommentar erst recht schockierend. Was, wenn an ihren wilden Behauptungen etwas Wahres dran wäre?
Von ihrer harschen Kritik zermartert, die ihn härter traf als jede andere, die er zuvor erhalten hatte, stellte "Lambert" alles in Frage, was er über seine künstlerische Identität wusste. Als er jedoch im Trüben fischend nach Antworten auf schier unbeantwortbare, ja lächerliche Fragen suchte, wurde ihm klar, dass es bereits eine ideale Lösung gab; ein Projekt, über das er schon seit einiger Zeit nachgedacht hatte. Er war von einem englischen Regisseur, den wir aus Gründen, die noch deutlich werden, einer davon ist die Restwürde des Filmemachers, einfach Matt nennen wollen, eingeladen worden, die Filmmusik zu dessen erster Fernsehserie beizusteuern. Vor kurzem war zudem ein unerwarteter zusätzlicher Vorschlag eingetroffen: Er wolle ihn, sagte der Regisseur, in diesem düsteren Kriminaldrama über die wahre Geschichte der berüchtigten und bis heute ungelösten "Ice Cream Man Murders“, die das Königreich in den frühen 2000er-Jahre in Atem gehalten hatten, nicht nur als Komponisten buchen, sondern auch als Kommissar besetzen.
"Es war das Produktionsteam, das mich ursprünglich als Komponisten angefragt hatte“, erzählt unser Junior-Til Schweiger im Interview: "Aber als Matt diesen seltsamen Kerl mit der Maske sah, dachte er: 'Das ist der, den wir für diese Geschichte brauchen!‘ Ich hatte mich zurückgehalten, weil mir die Idee komisch vorkam, vor allem für einen deutschen Musiker, aber jetzt dachte ich: 'Ein Kommissar in einer gefeierten englischen Fernsehserie zu werden, klingt gar nicht so schlecht.‘ Jedenfalls meinte meine Tochter, ich solle 'das Lambiversum erweitern‘, und je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr gefiel mir die Idee, eine andere Maske auszuprobieren. Dank ihr beschloss ich also, dass es an der Zeit war, den Stier bei den Hörnern zu packen, oder wie man sagt.“
"Lambert" hatte das Drehbuch schon gelesen, natürlich, und schätzte die Intentionen des Regisseurs: "Er wusste alles über 'Tatort' und er hatte, wie schon meine Eltern und Großeltern, alle Edgar-Wallace-Filme gesehen. Er schwärmte auch von diesen englischen Serien wie Lovejoy, Rosemary and Thyme und sogar Bergerac. Ich kannte sie nicht, aber er klang sehr leidenschaftlich und nannte sie 'den Kanon'. Zumindest glaube ich, dass es 'der Kanon' war. 'Canon' würde keinen Sinn machen. Außer er sprach von der Kamera. Oder er sagte 'Cannon". Was Kanone heißt und auch keinen Sinn ergibt. Wie auch immer, englisch ist nicht meine Muttersprache, aber die Deutschen mögen Krimis, also dachte ich: 'Warum nicht? Lass es uns tun!' Es war wahrscheinlich die schlechteste Entscheidung meines Lebens."
Die Serie sollte den klingenden Titel "The Stranger" (Der Fremde) tragen, und aufgrund der Terminplanung schrieb "Lambert" den Soundtrack noch vor Beginn der Dreharbeiten. So kam es, dass die Album-Aufnahmen bereits abgeschlossen und in dramaturgisch stimmige Reihenfolge gebracht waren, als er am Set eintraf: Der eindringliche, intime Titeltrack eröffnet mit rollenden Klavierarpeggien und dem ruhig akzentuierten Cello von Marie-Claire Schlameus, es folgen das eigenwillige "The Move" mit seinen Stakkato-Synthesizern und das formellere "Don't Know Anyone", zu dem Ralph Heidel ein Saxofon beisteuert. Wir hören das vielschichtige, aber verspielte "Pressure And Room“ sowie die kontrastierende bukolische Unschuld von "The Others“, bei dem Robin Scherpens akustische Gitarre im Mittelpunkt steht. "Maybe The Future" zeigt dagegen den optimistischen Charme von Francis Lais unterschätztem Bilitis-Soundtrack, während "Four Walls One" zum Solo-Piano zurückfindet, bevor "Drama And Comedy" Spannung und Eleganz auf Augenhöhe miteinander vermählt. Nachdem das temperamentvolle "Rather" und das unbestreitbar erlösende "Happy Place" verklungen sind, bietet "How It Ends" - letztes Album-Stück und dem Abspann des Films vorbehalten -- eine letzte willkommene Gelegenheit zur Reflexion, die eine solch immersive Kino-Erfahrung erfordert.
Sobald "Lambert" England und schließlich auch das leerstehende Gerichtsgebäude in der Nähe der Themse erreicht hatte, in dem ein Großteil der Handlung spielen sollte, wurde allerdings klar, dass die Dinge nicht so reibungslos ablaufen würden, wie beim Komponieren des Scores. "Er ist ein sehr seltsamer Typ, dieser Matt", erzählt der Musiker, "und ich hatte ihn noch nie persönlich getroffen. Ich hatte natürlich vorher mit ihm gesprochen und er hatte mir ein paar Leckereien geschickt, um mich zu überzeugen - gesalzene Karamell-M&Ms, limitierte Auflage, proper - aber da hatte meine Tochter schon ihren Punkt gemacht und ich beschlossen, dass ich gerne vor der Kamera stehen würde. Wie auch immer, in England wird jeder Matthew Matt genannt. Das ist ganz normal. Das weiß ich, auch als Deutscher. Aber schon beim ersten Mal, als ich das gesagt habe, ist er ausgeflippt, so nach dem Motto: Ich heiße Matthew! Ich heiße Matthew!' Das war also eine ziemliche Überraschung. Nicht, dass ich darauf geachtet hätte."
Innerhalb weniger Stunden -- wie "Lambert" bereits in "Lambert Klamra Jazz“, seinem wöchentlichen Podcast mit Musikerkollege Felix Weigt alias Gregor Klamra, berichtet hat – eskalierte die Situation vollends. "In der ersten Szene schien er unglücklich zu sein, weil ihm eine Bank nicht gefiel. Er fing wieder an zu schreien: 'Warum steht da eine Bank?! Ist das hier eine verdammte Aussichtsplattform?!' Es gab auch einen Typen, der die Rolle des Mörders spielen sollte, der auch kein Profi war. Er war von der Crew befördert worden, weil Matt sein Aussehen mochte, aber dann entschied er, dass er wirklich nicht schauspielern konnte. Matt hat ihm das Leben schwer gemacht, und die Atmosphäre hat jeden getroffen. Wenn jemand in einer Arbeitssituation zu schreien beginnt, ist das nie gut. Es ist nie gut. Und es hat nicht lange gedauert, bis ich merkte, dass er auch bereute, mich eingestellt zu haben. Ich glaube, er hatte das Gefühl, dass der Fokus auf "Lambert" liegen würde und nicht auf ihm, dem Regisseur, verstehen Sie? Er war besorgt, dass ich die ganze Aufmerksamkeit auf mich ziehen würde, was lustig ist. Jeder weiß, dass ich Aufmerksamkeit hasse. Warum würde ich sonst eine Maske tragen und stets falsche Fährten legen?"
Eine der Szenen, die "Lambert" am meisten reizte, war eine Verfolgungsjagd, eine Vorstellung, die er schon immer verwirklichen wollte. "Jeder Krimi hat eine, oder?", lacht er. "Ich liebe Verfolgungsjagden! Wer tut das nicht? Da sie im Drehbuch vorkam, freute ich mich sehr darauf. Aber als ich am Set ankam, hatte er es sich anders überlegt. Er schrie Dinge wie 'Wir müssen über den Tellerrand hinausschauen!' Ich glaube, er hatte einfach das Budget falsch eingeschätzt. Sie hatten ein Vermögen für Eiscreme ausgegeben. Am Ende sind wir auf Tretrollern herumgefahren und ich habe mir eine Rippe gebrochen. True story. Sie hatten nicht einmal Geld für einen Stuntman. Wenn wir die Verfolgungsjagd mit dem Auto gemacht hätten, wäre nichts passiert! Das sind alles Effekte!"
Fairerweise muss man sagen, dass es ihm vielleicht besser ergangen wäre, wenn er auch einen Helm getragen hätte, aber die strengen britischen Gesundheits- und Sicherheitsgesetze waren Matt egal, denn er hatte "Lamberts" Charakter so angepasst, dass er weiterhin die Maske tragen konnte, die er während seiner gesamten Karriere als Musiker getragen hat. Unmöglich also, dass etwas anderes auf seinen Kopf gepasst hätte. Doch wie es bei solchen Verletzungen üblich ist, es dauert, bis man sie wirklich bemerkt, blieb er weitere 24 Stunden am Set, bis die Schmerzen unerträglich wurden, nur um in einen weiteren Streit verwickelt zu werden. "Matt sagte immer wieder, dass mein Kommissar 'die Wahrheit' darstelle und dass ich, was auch immer passiere, diese 'Wahrheit' auf das Publikum projizieren müsse. Dann fing er an zu schreien. 'Was ist 'die Wahrheit'?! Was ist 'die Wahrheit'?! Keiner wusste, was er denken sollte. Was ist das für eine Frage? Ich weiß definitiv nicht, was 'die Wahrheit' ist, das merken Sie ja auch."
Um das ganze buchstäblich noch schmerzhafter zu machen, bemerkte der Regisseur nicht einmal, dass sein Hauptdarsteller verletzt und verschwunden war, sodass unser Möchtegern-Kommissar beschloss, liegen zu bleiben und es gut sein zu lassen. Er war durch damit. Das einzige Anliegen, das er noch hatte, war die Musik für eine Veröffentlichung zu retten. Und so verließ er in Ermangelung von "Sitzfleisch", um sich mit dem Regisseur weiter auseinanderzusetzen, so schnell wie möglich sein Hotel und kehrte nach Berlin zurück. Die beiden Künstler haben nie wieder miteinander gesprochen. Und The Stranger wurde nie fertiggestellt. Tatsächlich hat Matt auch LAMBERTs Honorar nie bezahlt. Nicht, dass dies irgendwelche langfristigen Ambitionen beeinträchtigt hätte. "Ich würde immer noch gerne einen weiteren Film machen", sagt unser Inkognito-Virtuose lachend. "Es macht Spaß, jemand zu sein, der man nicht ist."
Achtzehn Monate später und zehn Jahre nach dem Debütalbum von "Lambert" ist die – nun umbenannte – Filmmusik von "The Stranger" unter dem Titel "Actually Good" endlich zur Veröffentlichung bereit. Unvermeidlich, dass die Entwirrung der damit verbundenen Komplikationen einige Zeit in Anspruch nahm und "Lamberts" Manager letztlich sogar dazu zwang, Klagen einzureichen, mit denen Matt, auch dank des Brexits, nicht konkurrieren konnte. "Geschieht ihm recht", fügt "Lambert" hinzu. "Ich glaube, er hat dafür gestimmt." In der Zwischenzeit machte sich "Lambert" an die Arbeit, um sicherzustellen, dass alles, was veröffentlicht wurde, nicht einfach nur mehr "das Gleiche" war, um noch einmal seine Tochter zu zitieren. Wie man jetzt weiß, war dies alles, was Matt wirklich gewollt hatte.
In einer unerwarteten Wendung gelang es "Lamberts" Team sogar, einen Teil des Filmmaterials zu entwenden, um es für Promo-Videos zu verwenden, sogar ein bemerkenswerter Mini-Dokumentarfilm im Stil von Werner Herzogs "Mein bester Freund" oder Terry Gilliams "Lost In La Mancha" konnten damit realisiert werden. Unter der Regie von Tom Oxenham, der bei den Dreharbeiten anwesend war, wird die Entstehungsgeschichte dieser schnell wieder beendeten Krimi-Katastrophe nachgezeichnet, ganz zu schweigen von der außergewöhnlichen Wendung, die das wahre Leben genommen hat. Was bleibt? Das Wichtigste, nämlich dieses Album und die lange überfällige Gelegenheit, es so zu hören, wie "Lambert" es tatsächlich gemeint hat. "Am Ende des Tages", so unser maskierter Maestro, "wurde die Musik von diesem verdammten Regisseur völlig entstellt, und ich brauchte etwas Fröhlicheres, nicht diesen typischen 'Scandi-noir'-Scheiß. Ich habe daran gearbeitet, bis es so war, wie es immer hätte sein sollen, und ich bin wirklich zufrieden. Meine Tochter liebt es auch. The Stranger mag scheiße sein, aber die Musik ist EIGENTLICH GUT – ACTUALLY GOOD."
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